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Höherentwicklung zur konzeptionellen Fotografie

Das Schöne an der Fotografie – und nicht nur! – ist eine ständige Weiterentwicklung an sich selbst zu beobachten. Alle Fertigkeiten werden mit der Zeit und der Übung besser. Du kannst immer sicherer mit deiner Kamera umgehen und entwickelst deine Fähigkeit, Dinge zu erkennen und dann auch in ein gelungenes Foto zu übersetzen.

Vor über einem Jahr schrieb ich einen Blog über die Entwicklung der eigenen Fotografie. Darin ging es um den Übergang vom Einzelbild über die Serie zum Projekt (https://www.piaparolin.com/Blog/Series-and-project).

In der zweiten Folge des Podcasts FoBloFon (https://www.foblofon.de/serien/) haben Ivan, Oli und Stefan meinen Blog-Post im April 2021 unter die Lupe genommen. Das hat mich angeregt, nochmal intensiv darüber nachzudenken.

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Sich vom Einzelbild zur Serie („Hände“, „rot“) fortzubewegen erscheint allen irgendwann logisch. Und dann den Schritt zu etwas intellektuelleren Projekten zu wagen, ebenfalls. Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie etwas hinterfragen.

Ein Projekt bedeutet, eine Idee, eine Aussage, einen produktiven Ansatz zu entwickeln und durch Fotos zu erklären. Dabei ist der Übergang zur Reportage oder anderen anspruchsvollen Fotoprojekten fließend. Damals schrieb ich: “a project is the top of the top, the culmination of photographic art”. Ein Projekt ist die Spitze, der Höhepunkt der Fotokunst.

Ein Jahr später habe ich mich weiterentwickelt und begriffen, dass es durchaus noch eine wichtige Weiterentwicklung gibt. Nämlich hin zur Kunst, zum konzeptionellen Arbeiten jenseits von Reportage und Fakten. Vielleicht lässt sich konzeptionelle Kunst auch mit in die Schublade Projekt einordnen. Das können andere besser beurteilen.

Ich bezweifle aber, dass konzeptionelle Kunst denselben Stellenwert einnimmt wie ein Projekt. Kritisch die Plastikverschmutzung oder das Elend von Aluminium-Arbeitern zu fotografieren ist nicht dasselbe, wie eine emotionale Aussage in ein kunstvolles Bild zu übersetzen. Ich fürchte, auch hier sind die Übergänge mal wieder fließend, und je mehr Menschen ich frage, desto mehr Antworten werde ich bekommen.

Für mich ist in diesem Zusammenhang erstmal nicht relevant, was in den Kunstakademien gelehrt wird. Das wüsste ich gerne und ein Foto-Kunststudium wäre ein Luxus, den ich mir gerne irgendwann leisten würde.

Jetzt muss ich aber erstmal damit vorliebnehmen, was ich aus vielen Büchern und Internet-Ressourcen zusammengetragen habe. Und da kommt für mich der Schluss zustande: konzeptionelle Kunst, die ein Konzept verfolgt und irgendwie um die Ecke Denken einschließt, ist nochmal eine Stufe höher.

Statt konzeptlos herumzuknipsen, möchtest du vielleicht deinen Fotos mehr Seele geben, mehr Tiefe. Du gehst mit einer Idee los, möchtest eine Aussage treffen. Die kann auch ganz einfach sein: die Schönheit der Natur, das hektische Leben in der Stadt, bis hin zu philosophischen oder gesellschaftskritischen Analysen und Deutungen.

Jeder Mensch kann sich zu einem Künstler entwickeln. Das beschreibe ich in meinem neuen Buch. Daraus stammen auch die nächsten Abschnitte.

Wenn du mit einer Konzeption an deine Fotografie herangehst, findet ein höherer intellektueller Anspruch seinen Weg in dein Bild. Es ist vielleicht die Krönung der fotografischen Kunst, stellt es doch eine neue Sichtweise auf einen Sachverhalt in völlig neuem Licht dar.

Du möchtest etwas von dir zum Ausdruck bringen, deine Wahrnehmung und Visionen ausdrücken. Es ist keine neutrale, wissenschaftliche Herangehensweise wie bei einer Dokumentation oder Fotoreportage, allerdings sind die Übergänge wie gesagt fließend.

Der konzeptionelle Bezug steht im Vordergrund, d. h., deine Fotografie setzt sich als eigenständige Kunstrichtung und Ausdrucksform mit dem Thema auseinander. Fotografie ist nicht mehr Stilmittel oder Technik, sondern Legitimation. Du schlägst eine Kunstrichtung ein, mit der du dein inhaltliches Anliegen ausdrückst. Es beinhaltet deine intentionelle Herangehensweise und Botschaft. Du lässt eine Geschichte entstehen. Du brichst das Thema in seine vielschichtigen Facetten auf und interpretierst es auf deine Weise.

Dein persönliches Interesse steht im Vordergrund. Du suchst dir ein Thema aus, das deine natürliche Beachtung findet. Das ist ein geniales Privileg: Du gehst etwas nach, das dich tief berührt, das sich in deiner Lebensgeschichte begründet, in einer Begegnung, einem Ort, einem idealistischen Ziel, das du verfolgst.

Vielleicht machst du auch ein Bild, das dir einfach gefällt: Du nimmst es als Kernbild, um darum herum ein Konzept aufzubauen. Keine Sorge, wenn du dich nicht entscheiden kannst. Du musst nicht warten, bis du das perfekte Thema findest. Oft findet dich das Thema von allein.

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Und dazu habe ich mir diese Übung ausgedacht: Welches Thema ist so richtig „deins“? Womit willst du dich mehrere Wochen, Monate oder Jahre zu beschäftigen? Das ist dein Thema!

Versuche es zu gliedern: Welches sind die wichtigen Elemente dieses Themas? Wie beleuchtest du die verschiedenen Facetten am besten? Welche Interpretation und Ausdrucksform findest du dafür geeignet? Wie kannst du diese praktisch umsetzen?

Erst wenn das Konzept steht, machst du dich an die praktische Arbeit und fotografierst so, wie du es zuvor überlegt hast.

Ab jetzt sind Emotionen und Spontanes nicht nur erlaubt, sondern notwendig!

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Die Schritte Foto-Serie-Projekt habe ich in meinem ersten Buch (https://dpunkt.de/produkt/flow-fotografieren-als-glueckserlebnis/?ref=10013) intensiv analysiert und mit Grafiken erläutert.

Das im jetzigen Blog kurz Zusammengefasste habe ich in meinem zweiten Buch ausführlich erarbeitet, das im Sommer beim dpunkt.verlag erscheinen wird.

Mache dir ruhig mal Gedanken zum Unterschied zwischen Denken, Fühlen, Fotografieren und wirklich etwas Mitteilen, das andere fühlen statt nur sehen.

Und ich nehme den Schluss-Satz meines letzten Blogs auf: Die Unterscheidung zwischen den Kategorien - Bild, Serie, Projekt, Kunst - hilft mir, mein Ziel zu klären. Nur wenn ich mir der verschiedenen Schritte bewusst bin, kann ich gezielt darauf hinarbeiten, mein Niveau als Fotograf*in zu verbessern und etwas Größeres aus meiner Fotografie zu machen.

Danke Ivan, Oli und Stefan für die kritische Analyse meines Blogs und dass Ihr eine interessante Diskussion angeregt habt, mich dazu gebracht habt, nochmal nachzudenken und meine Ideen weiterzuentwickeln!

Pia Parolin, 5 April 2021

Erscheint bald im dpunkt.verlag:

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